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  • AutorenbildMaria Wunder

Wer spricht schon gern über Geld? Gagen für professionelle Musiker

Musik gegen Geld - musikalisches Gelegenheitsgeschäft.

Wie viel verlange ich als professioneller Musiker?



[…] „Ehrlich gesagt geht es mir ziemlich auf den Geist, sich rechtfertigen zu müssen, welche Muggen (MusikGelegenheitsGEschäft) man für wieviel Geld annimmt. Natürlich ist es ungemein wichtig, sich an die Vorschläge der DOV oder des DTKVs zu halten. Aber mal ganz im Ernst: es ist doch letztendlich jedem selbst überlassen. Natürlich! Mir ist bewusst: wer sich als professioneller Musiker unter Preis verkauft, macht den Markt kaputt. Ganz klar! […] Aber hin und wieder gibt es eben doch das ein oder andere Projekt, was mich von meinen "persönlichen" Richtlinien absehen lässt. Warum?“ […]

Mit diesen Zeilen habe ich vor Kurzem einen Beitrag auf Facebook gepostet. Ausschlaggebender Punkt? Nun ja, immer wieder lese ich auf diversen „Musiker-Gesucht“-Seiten, Aussagen wie: „Bei so einer Gage sollen sich bitte nur frische Studies oder Laien melden, für Profis keine Mugge.“ Was soll ich dazu sagen? Ich bin zwiegespalten.

Ich habe sehr viel Mühe, Geld und Zeit in mein Studium investiert und daher orientiere ich mich als Berufsmusikerin an den Honorarstandards des DTKV (Deutscher Tonkünstlerverband BW) und der DOV (Deutsche Orchestervereinigung). Ich bin bemüht, meine Unterrichtstätigkeit nicht unter vorgeschlagenem Preis zu verkaufen. Dabei wäge ich immer ab, in welcher Region ich unterrichte und wie die Preise an den umliegenden städtischen Musikschulen sind. Ich habe aber auch im Hinterkopf, dass diese Musikschulen meist von der Gemeinde einen Zuschuss bekommen und Unterricht zu besseren Konditionen anbieten können. Das ist dem Schüler, der Unterricht bei mir möchte selbstverständlich nicht im Voraus klar. Da ich mich aber immer gut informiere und versuche stets auf dem aktuellsten Stand zu sein, können sich meine privaten Schüler ja gerne von mir beraten lassen und sich anschließend im World Wide Web informieren.

Manchmal bin ich schockiert darüber, für welche Preise Lehrer Unterricht anbieten. Ganz besonders, wenn es Lehrkräfte sind, die mit mir an einer Institution unterrichten, wird es doch sehr schwierig, seine eigenen Preise zu rechtfertigen. Offene Kommunikation ist hier das richtige Stichwort. Natürlich muss man sich mit seinen Kollegen, ich spreche hier nun selbstverständlich von privaten Einrichtungen, die den Lehrkräften selbst überlassen, welche Honorarsätze sie festlegen, absprechen, um in etwa auf den gleichen Nenner zu kommen. Ich bin hier sehr dankbar für die Vorschläge des Deutschen Tonkünstlerverbands. Denn diese sind auch als Fußzeile in meinen privaten Unterrichtsverträgen zu finden. Ich habe eine Sicherheit, eine Stütze, auf die ich mich lehnen kann, um Eltern und Schülern zu erklären, warum ich meine Preise so gesetzt habe, wie sie sind.

Meine Headline zu diesem Blogeintrag sagt aber schon aus, dass ich bei Muggen nun leider wirklich zwiegestalten bin. Auch hier schaue ich, dass ich ungefähr an den vorgeschlagenen Honorarstandards ansetze. Aber mal ganz im Ernst: welcher klassische Musiker wird denn bitte nach diesen Standards bezahlt? Und leider rede ich hier nicht nur von Laienorchestern, die einen, als Profi-Musiker einkaufen, nein - es sind genau so die professionellen A-B-&-C-Orchester, die einen buchen und sich nur äußerst selten an die vorgeschlagenen Standards halten. Ich kann mich glücklich schätzen, dass meine meisten Muggen am Saarländischen Rundfunk (SR) sind - hier brauch ich mich tatsächlich nicht über eine angemessene Honorierung beschweren. Aber - der Funk ist nunmal nicht die Regel.

Vorgeschlagen von der DOV sind übrigens folgende Sätze: (Stand Nov. 2019)

85,63 € Probensatz 171,25 € Tagessatz / Aufführungsatz (mehrtätig) 256,87 € eintätiges Projekt

Quelle: https://www.dov.org/faire-honorare


Nun kann mir mal jeder professionelle Musiker, der diesen Beitrag liest, einen Kommentar hinterlassen, ob er auch wirklich immer diese Bezahlung bekommt. Woran liegt es denn, dass diese Honorare von den meisten Musikern nicht eingehalten werden? Oder werden können?

Ich kann keine Gedanken lesen, jeder hat seine eigene Meinung - aber ich kann Euch zumindest schildern, was in meinem Kopf vor geht. Ich, für meinen Teil, versuche mich - wie bereits erwähnt - so gut wie möglich an diese Standards zu halten. Sowohl beim Unterrichten, als auch bei Muggen. Wann mache ich aber Ausnahmen und nehme dann doch Muggen an, die eigentlich nicht ausreichend bezahlt sind? Wenn ich auf einer völlig beliebigen Facebook-Seite ein Inserat sehe, wo ein Musiker für zwei Proben und Konzert für 200,00 € gesucht wird (Bespiel), dann sage ich hier einfach nicht zu - ich hinterlasse aber auch keinen blöden Kommentar, dass man diese Mugge auf gar keinen Fall als Profi annehmen kann!!! Was ist, wenn jemand mit dieser Musik, die verlangt wird, enorm viel verbindet? Oder aus irgendwelchen anderen Gründen diese Mugge trotz Allem annimmt? Vielleicht ist es auch die Not, weil man nicht weiß, wie man im nächsten Monat seine Miete bezahlen soll? Keine Ahnung - wir können doch nicht als außenstehende Menschen in andere hineinblicken und sie verurteilen, weil sie eine Arbeit annehmen, die in unseren Augen unterbezahlt ist? Natürlich ist die Welt in dieser Hinsicht traurig. Kultur wird viel zu wenig honoriert. Aber das wäre nun wirklich einen separaten Blogeintrag wert. Darüber möchte ich also hier gar nicht schreiben.

Wie gesagt, wenn ich solche Inserate auf Facebook oder sonstigen Seiten sehe, swipe ich ohne Kommentar einfach weiter. Ich lese mir zwar tatsächlich hin und wieder die Kommentare der Anderen durch und werde dann meistens sauer. Da ich nicht nachvollziehen kann, wie man auf den Seiten von Social Media andere Personen dermaßen anmachen kann, nur weil sie sich für einen Job melden. Man kann davon halten was man möchte, ja! Aber man muss doch nicht immer seine Meinung anderen unter die Nase reiben? Oder doch? Und die Leute, die diesen Eintrag lesen und mich kennen, wissen, dass ich sehr gut darin bin, anderen Personen Dinge unter die Nase zu reiben. Ich habe leider ein Problem damit, meine Meinung für mich zu behalten. Aber ich würde nie andere Leute verurteilen, ohne zu wissen, was ihr Hintergrund bei der ganzen Sache ist. Das ist doch nicht fair, oder? Ganz besonders ist es NOT OUR BUSINESS. Das erinnert mich gerade so sehr an meine alte Nachbarin von gegenüber, die den ganzen Tag an ihrem Fenstersims lehnte und geschaut hat, was auf der Straße passiert. Vermutlich hätte sie sich schlapp gelacht, wäre ich bei Glatteis auf der Straße ausgerutscht.


Wann aber sehe ich nun von meinen persönlichen Richtlinien bzgl. der Gage ab? Zum einen mache ich einen Unterschied, ob ich als Einzelmusikerin für ein Projekt gebucht werde, oder mit einem meiner Ensemble kammermusikalisch ein Konzert gestalte. Bei Letzterem geht es mir in erster Linie darum, dass ich ein schönes Konzert veranstalten kann. Es ist eine Bereicherung mit meinem Klarinettenquartett aufzutreten. Wir möchten gemeinsam musizieren und das Publikum begeistern. Im Idealfall ergibt sich aus einem Konzert ein Folgekonzert, oder wir werden für eine Umrahmung gebucht. Wir brauchen Ziele, um motiviert zu bleiben und gut zu proben. Wieviel Geld wir für ein Konzert erhalten, kann man so pauschal nicht sagen. Hierbei spielen so viele Faktoren eine wichtige Rolle. Wird Eintritt verlangt? Ist das Konzert auf Spendenbasis? Hat jemand aus dem Ensemble eine persönliche Verbindung zum Veranstalter? Wie weit muss man anreisen? Muss man evtl. übernachten? Wie frei ist man in der Gestaltung des Konzerts? Es kommt auch vor, dass wir an Musikschulen und diversen anderen Orten anfragen, ob wir ein Konzert geben dürfen. Hierbei ist das Konzert dann beispielsweise nur auf Spendenbasis, welche ans Ensemble gehen. Mit dem Veranstalter kann ausgehandelt werden, ob die GEMA-Gebühren übernommen werden können. Wir sind ein kleines Ensemble und möchten spielen, bekannter werden - Leute begeistern. Wenn wir jetzt anfangen für "utopische" (eigentlich nicht utopisch, aber in diesem Kontext dann irgendwie schon...) Gagen zu spielen, haben wir vermutlich ganz schnell erstmal keine Gigs mehr. Mein Ansatz ist es, dass es durch viel Spielen - und BESONDERS leidenschaftliches und gutes Spielen - einfach von Zeit zu Zeit besser (vielleicht auch angemessener) wird.

Bei Orchesterprojekten habe ich schon so ziemlich alles erlebt. Ich habe schon bei Opernaufführungen für sehr wenig Geld ausgeholfen, weil mich z.B. eine Kollegin gefragt hat. In einem Blasorchester habe ich auch bereits für eine wirklich schlechte Bezahlung gespielt - ein damaliger Kommilitone hat dort mitgewirkt und es hat mir einfach Freude gemacht, mit ihm gemeinsam zu spielen. Außerdem habe ich sehr viel Erfahrung sammeln können, Repertoire und nette Menschen kennengelernt. Mit einem professionellen Orchester war ich auf Tour mit einem wirklich sehr bekannten „Opern“-Sänger. Die Bezahlung war gut, jedoch auch unter den vorgeschlagenen Honorarstandards.

Manche Muggen würde ich unter heutigen Umständen nicht mehr annehmen. Früher habe ich viel mehr für wenig Geld gespielt, obwohl ich auch damals teilweise schon „fertigstudiert“ war. Ich denke aber, das alles hat dazu beigetragen, dass ich heute eine flexible Musikerin bin. Mittlerweile wäge ich aber mehr ab, ob sich der Aufwand für manche Gagen auch lohnt. Zwar habe ich durch die gesammelte Erfahrung oft auch weniger Aufwand als noch vor ein paar Jahren - aber trotzdem. Aktuell habe ich generell viel mehr Projekte, ob es das Studium ist, meine Arbeitsstelle, mein Klarinettenquartett etc. - das alles benötigt auch viel Zeit. Und wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, ist es, dass man sich Zeit für die wichtigen Dinge im Leben nehmen muss. Dazu gehört dann für mich eben auch mal Nein zu sagen. Auf einer geschlossenen Facebookseite habe ich vor ein paar Tagen eine Diskussion mitverfolgt über "Gigs auf Hut". Diese Gigs gibt es im klassischen Bereich vermutlich nicht so oft, wie im Pop- und Jazzbereich. Jedoch wird diese "Gagenform" aufgrund immer mehr populär werdender Wohnzimmerkonzerte bestimmt auch in der Klassik bald Gang und Gäbe. Allerdings denke ich, dass bei diesen Formaten - egal ob im Wohnzimmer oder im Jazzkeller - doch irgendwie mehr die Atmosphäre und die Verbindung zu Personen im Vordergrund steht. Vielleicht irre ich mich, vielleicht habe ich noch nicht recht um die Ecke gedacht. Aber wie oben schon genannt, ist das eine Sparte die sich für mich ganz deutlich von einer, ich sag mal "traditionellen", Mugge absondert. Zum Schluss möchte ich Euch noch was verraten, was vielleicht viele professionelle Musiker für unmöglich halten. Aber ich spiele seit Neuestem in einem semi-professionellem Blasorchester - unbezahlt - und ich kann Euch sagen: es war die beste Entscheidung, die ich seit Langem getroffen habe. Selten habe ich so viel Leidenschaft beim Musizieren gespürt. Aber gut, über Leidenschaft in der Musik geht es in diesem Eintrag ja eigentlich auch nicht. Wäre vielleicht eine Überlegung für einen nächsten?

Ich freue mich über Eure Meinungsäußerungen. Egal ob Laienmusiker oder professioneller Musiker. Ich habe das Gefühl, das Thema zieht sich durch alle Welten - ob real life oder social media. Es ist irgendwie dauerpräsent - und auch scheinbar ein unlösbares Problem. Aber wie soll es auch gelöst werden, wenn man die persönlichen Verbindungen und Gründe eines jeden Einzelnen mit einbezieht? Eigentlich funktioniert das doch nur, wenn jeder einfach kalt und starr seinen Job macht und gut ist. Klingt für mich aber ziemlich leidenschaftslos - und Musiker, die nicht leidenschaftlich sind? Mh... seltsame Kombination, oder? Ich kann aber trotzdem jedem professionell ausgebildetem Musiker ans Herz legen, sich an diese Richtlinien (in der Regel) zu halten. Die Orientierung an Honorarstandards erleichtert allen Berufsmusikern enorm das Leben. Ein Freischein gibt es, meiner Meinung nach, immer. Denn jeder muss für sich selbst abwägen können, ob und warum er eine Mugge unter Preis annimmt. Wie ihr vielleicht durch meinen Blogeintrag feststellen, und vielleicht auch nachvollziehen konntet, gibt es doch hin und wieder Situationen und Angebote, bei denen man von seinen persönlichen Vorstellungen abweicht...

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